Die Maske ... Bitte höre was ich nicht sage!
Eines von vielen Projekten war einfach wunderbar und sehr berührend!
DIE MASKE ... BITTE HÖRE, WAS ICH NICHT SAGE!
TANZTHEATER, Regie: Gabriella Wiesinger
INHALTSANGABE
Lass Dich nicht von mir durch das Gesicht täuschen, das ich Dir zeige, denn ich trage tausend Masken. Masken, die ich fürchte abzulegen und keine davon bin ich! So und als ob ist eine Kunst, die mir zur zweiten Natur wurde, aber, bitte, lass Dich nicht täuschen! Ich mache den Eindruck, als sei ich fröhlich, als sei alles sonnig und glücklich in mir, innen wie außen, als sei mein Name Vertrauen und Sicherheit und mein Spiegel Kühle, als sei ich ein stilles Wasser, so, als ob ich niemanden bräuchte. Aber, bitte glaube mir nicht! Mein Äußeres mag sicher erscheinen, aber es ist nur eine Maske. Darunter ist nichts Entsprechendes, dahinter bin ich, wie ich wirklich bin: verwirrt, voller Angst, einsam und allein. Aber ich verberge das, möchte nicht, dass es irgendjemand merkt. Beim bloßen Gedanken daran bekomme ich Panik und fürchte mich davor, mich anderen zu offenbaren. Gerade deshalb erfinde ich verzweifelt Masken, hinter denen ich mich schutzsuchend verbergen kann: eine lässige, kluge Fassade, die mir hilft, etwas vorzutäuschen, die mich vor dem wissenden Blick sichert, der mich erkennen würde. Dabei wäre gerade dieser Blick meine Rettung, wenn er verbunden wäre mit Wärme, mit Gefühl, mit Liebe. Das ist das Einzige, was mir Sicherheit geben würde, die ich mir selbst nicht geben kann, weil ich es nie gelernt habe, die ich aber so sehr brauche: dass ich wirklich etwas wert bin. Aber das sage ich dir nicht, ich traue mich nicht, denn ich habe Angst davor. Ich habe Angst, dass dein Blick nicht von Wärme und Liebe begleitet sein könnte und ich fürchte, Du wirst gering von mir denken und über mich lachen und - dein Lachen würde mich umbringen. Ich habe Angst, dass ich tief in mir selbst nichts bin, nichts wert und dass du das sehen könntest und mich abweisen wirst. So spiele ich mein Spiel, ein verzweifeltes Spiel: Eine sichere Fassade außen und ein zitterndes Kind innen. Ich rede daher in gängigem Ton, oberflächliches Geschwätz, Ich erzähle Dir alles, was wirklich nichts ist, was in mir schreit. Deshalb lass dich bitte nicht täuschen von dem, was ich gewohnheitsmäßig daherrede. Bitte hör sorgfältig hin und versuch wahrzunehmen, was ich nicht sage, was ich so gerne sagen würde, was ich um des Überlebens Willen rede und was ich nicht sagen kann. Ich verabscheue dieses oberflächliche Versteckspiel, das ich da aufführe, denn es ist unecht und ich wäre so gerne echt, ehrlich und spontan - einfach ich selbst. Aber du kannst mir helfen... Du kannst Deine Hand ausstrecken, selbst wenn es das Letzte zu sein scheint, was ich mir wünsche. Du kannst dabei helfen, mich zum Loben zurückzurufen. Jedes Mal, wenn du freundlich und sanft zu mir bist und mir Mut machst, jedes Mal, wenn du versuchst, mich zu verstehen, weil Du dich wirklich um mich sorgst, bekommt mein Herz Flügel - sehr kleine Flügel, brüchige Schwingen, aber Flügel! Dein Gespür, Dein Mitgefühl und Dein Verstehen hauchen mir Leben ein, weil ich Dir vertraue und ich möchte, dass Du das weißt. Ich möchte, dass Du weißt, wie wichtig Du für mich bist, wie sehr Du mir helfen kannst, der Mensch zu werden, der ich in Wahrheit bin - wenn Du es nur willst. Du kannst mir helfen, die Wand niederzureißen, hinter der ich zittere, bei Dir würde ich mich so gerne trauen können, die Maske abzusetzen, damit Du mir Wege aufzeigen kannst, wie ich mich aus meiner Schattenwelt, aus meiner Angst, meiner Unsicherheit und dieser inneren Einsamkeit befreien kann. Bitte übersieh mich nicht! Es wird nicht leicht für Dich sein, denn die lang andauernde Überzeugung, wertlos zu sein, schafft dicke Mauern und ich würde so gerne auf Deine Geduld vertrauen. Und ich habe Angst davor, dass, je näher Du mir kommen wirst, ich umso blinder zurückschlagen könnte. Ich wehre mich aus Angst gegen das, wonach ich schreie. Aber, man hat mir gesagt, dass Liebe stärker sei, als jeder Schutzwall und darin liegt meine Hoffnung. Bitte versuch mir zu helfen, diese Mauern einzureißen, mit sicheren und sehr vorsichtigen Händen, denn dort bin ich immer noch das kleine Kind.
Etwas abgewandelte Form aus einem Auszug: „Von der Schwierigkeit zu lieben, Maßstäbe des Menschlichen“ von Tobias Brocher, Kreuz Verlag Stuttgart, 12. Auflage, 1975, ISBN 3-7831-0465 AUTORENPORTRAIT Tobias Brocher (1917-1998), Psychoanalytiker und Sozialpsychologe, geboren in Danzig, leitete von 1954 bis 1962 die Familien- und Elternberatung in Ulm. 1962-1970 war er Professor für Sozialpsychologie in Frankfurt/Main und Pittsburgh, USA. Er leitete die Akademie für Psychotherapie in Stuttgart und war stellvertretender Direktor des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt. Brocher zählt zu den Wegbereitern der Gruppentherapie in Deutschland und hat die Zeitschrift „Gruppendynamik mitbegründet.